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Gottesdienst mit Reverend John Francis, USA

Einen besonderen Gottesdienst konnten die Besucher in Widnau am Sonntag, 30. Juni 2019, erleben: Der Musiker, Songwriter und Pfarrer John Francis predigte und sang in der evangelischen Kapelle. Seine Lieder haben die Kluft zwischen den Menschen zum Thema. Seine Stimme ist melodiös, zart und kraftvoll, wenn er singt: «There‘s a power!» Schon sein Äusseres macht die Leute neugierig. Er predigt im schwarzen kurzärmligen Hemd mit weissem Collar und Sandalen, seine Unterarm-Tatoos sind gut sichtbar.

John Francis wuchs als Sohn eines anglikanischen Pfarrerehepaares in einem alten Pfarrhaus auf, das schon im 18. Jahrhundert gebaut war: uralt in den USA. Seine Mutter ermahnte ihn, einen Raum nie zu betreten. Dort könne er sich verletzen. Seine Neugier zog ihn umso mehr zu dem verbotenen Ort. Es war der Keller, wo die flüchtenden Sklaven vor 150 Jahren ein Versteck fanden auf dem Weg zum sicheren Norden, wo sie die Freiheit erhofften. Im Keller «sah» das Kind die erschöpften Sklaven, wie sie sich unterhielten, wo der nächste sichere Punkt sein würde.

Dieser Keller war für ihn ein Ort des Schutzes, wo Gott seine Menschen gnädig bewahrt. Es war auch der Ort, wo er lernte: Wichtige Dinge geschehen im Widerstand. Es war verboten, entlaufene Sklaven zu beherbergen. In dem Keller, erzählte er in der Predigt, wuchs sein Gespür für Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit. Und so wie Jesus an manchen Orten fortgeschickt wurde, so ergeht es vielen Menschen. «Die Füchse haben Höhlen, aber des Menschen Sohn hat keinen Platz, sein Haupt niederzulegen.» Lukas 9. Die Heimatlosen und die Armen sind auf Mitgefühl und Solidarität angewiesen. Wer sie aufnimmt, nimmt auch Jesus auf.

Im Kirchgemeindehaus gab es nach dem liebevoll zubereiteten Apéro eine Diskussionsrunde mit Pfr. Urs Dohrmann als Übersetzer über die Aufgabe der Kirchen in den USA in dieser politisch herausfordernden Situation mit dem derzeitigen Präsidenten. Die Amerikaner sind noch wie unter Schock, «als ob ein Pferd durch ein Spital galoppiert – wie ist es bloss in den 6. Stock gekommen?» Einige der Kollegen von John Francis seien zurzeit von Inhaftierung bedroht, weil sie Flüchtenden an der Grenze Wasser und Essen gegeben haben. Die Gefahr von nationalistischem Gedankengut gebe es aber auch in Europa, wie Gäste aus Österreich und Italien bemerkten. Mit «We shall overcome» endete dieser inspirierende Vormittag.

Pfarrerin Silke Dohrmann