


«Die vielen Gesichter des Islam» – Unter diesem Titel hielt Dr. Elham Manea, Bern, am Freitag, 6. März, im evangelischen Kirchgemeindehaus Widnau einen Vortrag, der auf der folgenden Kernaussage beruht: «Die Menschen haben begonnen, ihre Vielfalt zu vergessen, und haben sich die Auffassung zu eigen gemacht, es gebe nur eine Auslegung des Islam – die der Islamisten. Aber der Islam ist vielfältig.»
Rund 60 Personen besuchten diesen Anlass, der auf Initiative von Karl Knecht, dem Leiter der Bücherrunde, organisiert wurde. In der Diskussion wurde klar, dass heute – wie in früheren Jahrhunderten – wieder der konservative Reflex, Religion für eigene politische Ziele zu instrumentalisieren, auf dem Vormarsch ist. Das gilt nicht nur für den Islam, sondern auch für das Christentum. Man denke an Trump (USA) und Bolsonaro (Brasilien), die ihre Ideologie evangelikal unterfüttern, so wie Orban in Ungarn, der von einem christlich-konservativen, autoritären Staat träumt, oder die katholisch-konservative Regierung Polens, die demokratische Rechte und die Gewaltentrennung zugunsten einer straffen zentralistischen Führung einschränkt.
Ähnliche Verhältnisse herrschen in Putins Russland, welche die russisch-orthodoxe Kirche für sich vereinnahmt, in Indien (Hindu-Nationalismus) und in Burma, wo radikalisierte Buddhisten fast eine Million muslimischer Rohingyas getötet und vertrieben haben. Ob muslimisch, christlich, hinduistisch, buddhistisch oder in weiteren religiösen Prägungen: Gemeinsam ist allen autoritären Regimen, die sich auf eine Religion berufen, die Missachtung der Meinungsfreiheit, die Herabsetzung anderer Kulturen, Meinungen, Milieus – sowie der Frauen. Aus dieser «Flughöhe» betrachtet ist es also auch falsch, den Islam nur auf eine arrogante, gewalttätige Haltung zu reduzieren. Islam und Islamismus sind also so verschieden wie das Christentum und der brutale Evangelikalismus Bolsonaros, der Andersdenkene öffentlich diskriminiert und gewaltsam wertvolle Urwaldflächen im Amazonasgebiet abholzen lässt.
Dr. Elham Manea ist Privatdozentin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich. Sie lehrt und forscht in den Bereichen: Rechtspluralismus, politischer Islam und Radikalisierung, Gender und Politik im arabischen Raum sowie Politik der arabischen Halbinsel mit Spezialgebiet Jemen. Sie ist auch Menschrechtsaktivistin und Beraterin von staatlichen, Nichtregierungs- und internationale Organisationen zu den Themen Frauenrechte, Religion und Entwicklung.
Nebst ihren akademischen Beiträgen hat Dr. Elham Manea als Schriftstellerin mehrere Sachbücher und Romane veröffentlicht. Ihr Anliegen ist es, das Verhältnis von Islam und westlicher Moderne offen zu diskutieren und auf diese Weise als Teil einer grösseren liberalen islamischen Bewegung zu einem «offenen und zeitgemässen Islam» beizutragen.